Vom Hören und von Sagen: Der Knödel ist in aller Munde

Über Jahrhunderte war der Knödel eines der häufigsten Gerichte auf Österreichs Almen und fixer Bestandteil der alpinen Esskultur. Doch auch aus anderen Teilen der Kultur ist der Knödel nicht wegzudenken. Belege aus der Kunst, Literatur und Musik zeugen davon.

Knödel gehören zu Österreichs Almen wie das Amen im Gebet. In der Alpenkultur sind sie fest verankert – und das nicht nur am Teller. Es gibt einige urtümliche Sagen, sogar ein Gebet, einen hippen Rap und eine Tiroler Band, die nach dem Knödel benannt ist.

Knödel in Speisekarten, auf Rezeptblogs und in Kochbüchern zu finden, ist nichts Neues. Dass sie aber seit über 800 Jahren in einer Südtiroler Burgkapelle angesehen, wenn nicht gleich angebetet, werden können, überrascht dann doch.

In der St.-Maria-Magdalena-Kapelle auf der Burg Hocheppan bei Bozen im heutigen Südtirol gibt es eine Szene eines Freskos, die besonders heraussticht. An der Südwand wird die Geburt Jesu Christi dargestellt. Dort ist eine Magd zu erkennen, die vor einer in einer Pfanne kochenden Speise steht bzw. hockt und davon kostet. Dabei sind deutlich runde Formen, ähnlich handgroßen Teiglingen, zu erkennen. Mit einem Art Gabel führt die Magd eine solche runde Kugel, die von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern als Knödel bezeichnet wird, zum Mund.

Aus Goldkugeln wurden auf der Burg Hocheppan Knödel
Was eine Pfanne voll Knödel und eine essende Magd mit der Geburt Christi zu tun hat, ist für die Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker leicht erklärt: nämlich gar nichts.

Graf Ulrich II. errichtete die Burg Hoch­eppan um 1200 und gab die Malereien im Innern der dort befindlichen Kapelle bei einem unbekannten Meister in Auftrag. 1210 enden die Bauarbeiten an der Burg und dem Kapellen-Inneren, wie in dem Buch „Die Burgkapelle zu Hocheppan“ von Helmut Stampfer und Thomas Steppan (1998) zu lesen ist. Insgesamt drei Maler (die Literatur spricht von Meister A, B und C) haben sich der Wände in der Kapelle ange­nommen und einen Freskenzyklus entstehen lassen, der laut Kunsthistorikern von Werken byzantinischer Künstler inspiriert worden ist und das Leben Jesu darstellt.

Meister C, der die Szene mit den Knödeln gemalt haben dürfte, ist wohl einem Missverständnis erlegen, wie Vergleiche mit anderen byzantinischen Darstellungen aus anderen Weltteilen zeigen. Dabei wird dargestellt wie zwei Mägde dem Christuskind Goldkugeln überreichen. Meister C dürfte das aber nicht erkannt und sich gedacht haben, sie kredenzen Knödel. Für Kunsthistoriker mag das Werk von Meister C an der Südwand der Hocheppaner Ka­pelle eine Verwechslung sein. Für die Geschichte des Knödels ist es ein wertvoller Hinweis.

Tiroler Mundartgedicht wird zu Knödelgebet
Ein unbekannter Autor war es, der dem Knödel in einem Mundartgedicht ein sprachliches Denkmal setzte. Dabei nimmt er Anleihen an dem traditionellen Gebet vor dem Essen: 

„Vater unser, der du bischt –
Knödln stehn aufn Tisch,
der Löffel liegt aa dabei,
konnst kostn, wia’s sein.

Vater unser, der du bischt,
und Knödln aufn Tisch
und a Bratl in der Pfannen –
unseres Absterbens, Amen!“
(aus dem Buch „Vom Essen auf dem Lande“ von Franz Maier-Bruck 1981)

Ein weiterer, sehr viel bekannterer Mundartspruch weist auf die weite Verbrei­tung der Knödel hin: „Knödeln, Nocken, Nudeln und Plenten sind die vier Tiroler Elementen.“ (in: Maria Drewes Kochbuchklassiker „Tiroler Küche“, 2010, und u.a. einem Text von Otto Kostenzer, 1974). Der Satz stammt ursprünglich aus der Feder des bayerischen Mineralogen, Dichters und Schriftstellers Franz von Kobell (1803–1882). Damit wollte er laut Kostenzer Mitte des 19. Jahrhunderts versuchen, „den Speisezettel der Tiroler zu charakterisieren.“ Plenten oder auch Schwarzplenten bedeutet übrigens Buchweizen, der in vergangenen Jahrhunderten gerade in Süd-, Nord- und Osttirol vielfach am Teller landete.

Hart wie Kanonenkugeln
Früher wurden Knödel aus Mangel an weißem Mehl oder Brot aus groben Buchweizen-, Roggen- oder Hafermehl gemacht. Wenn die Masse dadurch zu fest geriet, ist – etwa in Sagen und im Volksmund – spöttisch von Kanonenkugeln die Rede, „mit denen man schwächere Festungen sturmreif schießen könnte“, aus dem Text von Otto Kostenzer („Kleine Kulturgeschichte der Tiroler Küche“, 2010). Dort ist auch zu lesen, dass Knödel beim Aufspießen auf die Gabel aus dem Fenster fliegen. In einem anderen Text über „Knödlg’schichten“ (Autor unbekannt, 1938) heißt es, sie rollen sogar in benachbarte Häuser. Aus einer Sage entnommen klingt das dann so:

„Der Knecht einer Mieminger Bäuerin wollte einen ihrer Knödl mit der Gabel harpunieren; der aber hüpfte aus der Suppenschüssel, rollte über den Boden zur Türe hinaus und den Hang hinunter, schlug dort in einem Haus eine Fensterscheibe ein und blieb dann – noch immer rund und unversehrt – liegen. Im Zillertal soll ein über den Geiz der Bäuerin erzürnter Knecht mit einem ihrer Knödl gar ein Loch in eine Mauer erzielt haben.“ (aus dem Text „Tiroler Knödl (Speckknödl)“ von Wolfgang Morscher im Sagen.at-Forum, 2006)

Der Sage nach in Hall in Tirol für Soldaten erfunden
Eine andere Sage, die in vielen Publikationen – teilweise leicht abgewandelt – auftaucht, weist daraufhin, dass die Knödel in Hall in Tirol als Notessen für hungrige Soldaten entstanden sein könnten.

„Der Sage nach wurde der Tiroler Knödel in der Stadt Hall erfunden. Eines Tages zog eine Horde Soldaten durch das Haller Städtchen, im Gasthof zu den ˌDrei Lilienˈ forderten sie zu später Stunde Wein und eine warme Mahlzeit. Die Wirtsleute versuchten zuerst, den wilden Gesellen klarzumachen, daß die Vorräte des Hauses knapp geworden seien durch den ständigen Durchzug der Kriegsknechte. Als die Soldaten daraufhin wilde Drohungen ausstießen, eilte die Wirtin in die Küche und ließ ihre Erfindungsgabe walten. Sie mischte Reste von Brot, Mehl, Speck und Wurst mit Eiern und Milch, schnitt Petersil klein und formte Knödel, welche die wilden Burschen an ihre Kanonenkugeln erinnern sollten. Als dann die dampfenden Knödel auf den Tisch kamen, wurden sie mit großem Vergnügen verspeist. Das Rezept der Wirtin machte bald die Runde und erfreute sich immer größerer Beliebtheit.“ (Kostenzer 1974, Morscher, 2006, Maier-Bruck, 1981).

Durch die Sagen sollte im Volksmund die hohe Bedeutung des Knödels hervorgehoben werden. Damals hatte man aus der Not eine Tugend gemacht, könnte man meinen, und die Knödel durch Mundartgedichte und Erzählungen versucht, attraktiver erscheinen zu lassen. Dieses Ansinnen wird an einer weiteren Sage deutlich, die all jene, welche Knödel verschmähen, unter Strafe stellt. 

„Ein Bettelmann, der vor Zeiten einmal auf dem halb verfallenen Schloß von Wangen im vordersten Sarntal [Südtirol] nächtigte, kochte sich dort Knödel zum Nachtessen. Da trat plötzlich der Schloßgeist in den Raum herein, kostete von den gekochten Knödeln und spuckte das, was er in den Mund genommen, wieder aus. Den Bettelmann ärgerte die Heikelkeit des Geistes gewaltig. Vor dem Geist hatte er wenig Furcht; wer nicht viel zu verlieren hat, braucht nicht viel zu fürchten. So gab er denn dem Geist eine Watschen, daß es nur so holderte. Da stand ein Ritter vor ihm, dankte und sagte, daß er wegen seiner Heikelkeit so lange geistern mußte, bis er dafür eine Ohrfeige fasste. Nun war er erlöst und zeigte dem Bettelmann einen großen Schatz, der im Schloß vergraben war.“ (aus dem Bergbauernbuch von Hermann Wopfner, 1995).

Die Knödel als Band
Der Knödel wird nicht nur in Sagen und alten Texten behandelt. Er ist sogar in moderner Musik zu finden.

Seit 2018, und davor von 1992 bis 2000, ist die Tiroler Band „Die Knödel“, geleitet von Christof Dienz, aktiv. Sie spielt mit Tiroler Volksmusik und vermischt sie mit Elementen anderer Musikrichtungen, etwa Jazz, Klassik und Kammermusik. „Die Knödel“ erlangen in Tirol und darüber hinaus Bekanntheit. Sie bringen insgesamt fünf Alben heraus: „Verkochte Tiroler“ (mit dem durchwegs bekannten Stück „Die Knödelpolka“, 1993), „Die Noodle“ (1993), „Non lo so, Polo“ (mit der US-Sängerin, Saxofonistin und Komponistin Amy Denio, 1995), „Panorama“ (1995) und nach ihrer Rückkehr ins Musikgeschäft „still“ (2019).

„Knödel-Rap“ als Stück für Blasmusikkapellen
Dem Knödel ist auch ein zeitgenössisches Blasmusik-Stück gewidmet, das von zahlreichen Tirolerinnen und Tirolern und österreichischen Blasmusikkapellen gespielt wird: „der ˌKnödel-Rapˈ“, entstanden 1997, vom Tiroler Komponisten, Jazz-Dozenten und Saxofonisten Florian Bramböck.

Im Rap werden das Rezept und die Zu­bereitung des Knödels erzählt. So lässt Bramböck die Zutatenliste folgenderma­ßen klingen: „Alte Semmerlen, zwei Eier und Mehl, Zwiebel und Knofel und Pfeffer aus der Mühl’. Vergiss’ nit auf’s Kräutl und scho gar nit auf’s Salz. A Speck und a Wurscht und a Löffele Schmalz.“ Das Lied gibt auch Tipps für’s Kochen, „der Knödel isch erscht fertig, wenn er obnauf schwimmt“. Bramböck erlaubt sich auch einen Seitenhieb auf die Tiroler Mentalität, wenn er dichtet: „Bin beim Essen so a sturer Schädl, hab’ an Gluscht auf Tiroler Knödl.“

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