Natürlich können Herden auch durch die dauerhafte Anwesenheit von Hirten vor Wolf und Bär geschützt werden. Die zentrale Frage dabei: Wer ist heute noch dazu bereit, sich diese harte und wenig lukrative Arbeit anzutun?
Hirten, die ständig bei ihren Herden bleiben, mit ihnen herumziehen, heute sagt man dazu Weidemanagement, haben in vielen Ländern Jahrtausende alte Tradition. Sogenannte Wanderschäfer sind bis heute noch in machen Alpenländern, aber auch in Norddeutschland, Spanien, weit häufiger aber in afrikanischen oder kleinasiatischen Ländern, wie der Türkei anzutreffen.
Hirten halten dabei zusammen mit Hütehunden, die nicht mit Herdenschutzhunden verwechselt werden dürfen, ihre Tiere zusammen. Das allein ist bereits ein gewisser Schutz gegen Wolf und Co, da Raubtiere eher vereinzelte Tiere oder Kleingruppen angreifen als eine kompakte Herde. Auch können Herdenschutzhunde ihr volles Potential nur bei entsprechend geschlossenen Herden entfalten.
Was schön klingt und romantische Klischees bedient, hat auf unseren Almen allerdings keine flächendeckende Tradition mehr. Einmal fiel mit dem Verschwinden der Raubtiere ein wesentlicher Grund für die dauerhaften Behirtung weg. Zum anderen ist heute Arbeitskraft wesentlich teurer als zu Zeiten, wo Knechte, Mägde und weichende Bauernkinder ein großes Reservoir an Billigstarbeitskräften darstellten.
Diese zwei Hauptgründe haben dazu geführt, das sich auf Tirols Almen – vor allem im Unterland – längst der freie Weidegang bei Schafen durchgesetzt hat. Die Besitzer der Schafe überlassen die oft riesigen, nur an gefährlichen Stellen bzw. an den äußeren Grenzen abgezäunten Weideflächen ihren Tieren und halten nur ab und zu – üblicherweise einmal pro Woche – Nachschau bzw. wenn sich etwa Wetterumstürze ankündigen. Hirten, die mehr oder weniger ständig ihre Herde begleiten, findet man eher noch im Tiroler Oberland. Jungrinder oder auch Mutterkuhherden auf sogenannten Galtalmen hingegen werden noch häufig von ständig anwesenden Hirten betreut.
Die fehlende Hirtentradition ist jetzt, wo Wolf und Co auf unsere Almen zurückkehren, ein großes Problem. Gut ausgebildete Hirten sind heutzutage sehr selten und ein wesentlicher Kostenfaktor für die Besitzer von Almen. Es gibt zu wenige Hirten und zumindest in Österreich – anders als in der Schweiz – erst in Ansätzen ein Ausbildungsprogramm.
Die Attraktivität des Hirtenberufes müsste wesentlich gehoben und die Frage der Finanzierung gelöst werden. Stand der Dinge ist es vor allem für Schafbauern de facto nicht möglich effektiven Herdenschutz mit Hirten, Hüte- und Herdenschutzhunden zu gewährleisten. Weder von den finanziellen noch den vorhandenen personellen Ressourcen her. Da insbesondere die Schafhaltung heute ohnehin meist einem finanziellen Drahtseilakt gleicht, würden zusätzliche Personalkosten wohl das Aus für viele Hobbyhalter bedeuten.
Ständige Behirtung:
• keine Tradition auf unseren Almen seit der Ausrottung der Raubtiere Wolf und Bär
• viel Wissen ist verloren gegangen, die nötige Ausbildung steckt in den Kinderschuhen
• es fehlt an qualifiziertem Personal und am Personalpool vergangener Zeiten
• das romantische Klischee vom Hirtenberuf hatte zu allen Zeiten wenig mit der Realität zu tun