Das einstige harte Leben im Alpenraum schildert der Tiroler Autor, Bibliothekar und promovierte Geschichtsexperte Georg Jäger aus dem Sellraintal schonungslos und detailreich. Der Textauszug stammt aus „Auf der Alm und im Gamsgebirge“, Band 3 der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“, erschienen 2021 im Kral Verlag (S. 163 – 164).
Ständig anfallende Sennerinnen-Arbeiten
Inge Friedl veröffentlichte in ihrem Werk „Almleben. So wie’s früher war“ (Graz 2013, 159 S., hier: S. 20–25) einen Erlebnisbericht von Kathi Huber aus Hüttschlag im Großarltal in Salzburg, der stellvertretend für die überall im Alpenraum anfallenden Sennerinnen-Arbeiten stehen soll:
„Ich bin 1943 mit 15 Jahren das erste Mal als Sennin auf unsere Alm, die Glettenalm, gekommen. Da waren dreißig Küh’ oben, der Hüter und ich! Im Vorsommer haben wir schon um zwei in der Nacht aufstehen müssen, um die dreißig Kühe zu melken. Zwei Stunden lang haben wir mit der Hand gemolken. Danach haben wir die Kühe gleich wieder ausgetrieben. Dieses zeitige Melken war notwendig, damit die Kühe früh genug auf die Weide kommen und genug fressen. Denn kaum war die Sonne da, kamen die Viecher schon wieder hergeteufelt zur Hüttn, weil ihnen die Ungeziefer (= Bremsen, Anm. G. J.) keine Ruhe gelassen haben.
Käse und Butter selbst hergestellt
Nach dem Melken haben wir Käse gemacht und Butter gerührt. Jeden Tag haben wir Butter gerührt, dann die Butter ausgewaschen, ausgedrückt und mit den Händen ausgepresst. Melken, Rühren, Käsen, Geschirrwaschen – so war der Ablauf. Das Milchgeschirr und den Kupferkessel hat man dann vor der Hütte zum Trocknen in die Sonne gestellt.
Zu Mittag hat man sich etwas Einfaches gemacht, vielleicht Nocken mit Beeren, Knödel oder Mus. Dazwischen musst du die Facken, die Schweindln, versorgen. Die bekommen das Kaswasser, das beim Butterrühren übrig blieb, und sonst nichts.
Täglich vier Stunden per Hand melken
Am Nachmittag um drei, halb vier haben wir das zweite Mal gemolken. Wieder zwei Stunden lang Handmelken! Damit uns nicht langweilig wird, haben der Hüter und ich gesungen.
Besuch haben wir wenig gekriegt, höchstens der Jäger ist ab und zu vorbeigekommen. Wir haben oft die ganze Woche ned gwusst, wie spät es ist. Wenn Schönwetter gewesen ist, haben wir uns halt nach der Sonne gerichtet. Bei Einbruch der Dunkelheit gegen halb neun sind wir schlafen gegangen, weil wir ja am nächsten Tag noch im Finstern vor der Morgendämmerung wieder aufstehen mussten.“
Arbeit einer Sennerin im Stanzertal
Wie sah im Vergleich dazu das harte Leben einer Sennerin in Tirol auf einer Alm im Stanzertal zu Beginn der 1940er-Jahre aus? Unser Zeitzeuge Alois Moritz, der seine volkskundlich-historischen Forschungsergebnisse bereits 1943 als Dissertation vorgelegt hat, äußert sich dazu genau in seinem bemerkenswerten Buch über „Die Almwirtschaft im Stanzertal. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und Volkskunde einer Hochgebirgstalschaft Tirols“ (Schlern Schriften, Band 137, Innsbruck 1956, 138 S., hier: S. 44–49), weshalb an dieser Stelle nur einzelne Auszüge in Tabellenform wiedergegeben werden:
Die Arbeiten einer Tiroler Sennerin während der 1940er-Jahre
Uhrzeit | Tätigkeit der Senn(er)innen im Stanzertal | ||
½ 4 Uhr | Aufstehen von Haupt- und Beisennin | ||
4–6 Uhr | Morgenmelken (zwei Stunden lang); Kochen | ||
½ 7 Uhr | Gemeinsames Frühstück mit Beisennin | ||
7–8 Uhr | Füttern der Schweine mit Käsewasser | ||
9–10 Uhr | Butterrühren durch Haupt- und Beisennin | ||
½ 11 Uhr | Einfaches Mittagessen, „Reste“-Aufwärmen | ||
12–14 Uhr | Langwieriges Käsekneten mit Beisennin | ||
½ 15 Uhr | Körperpflege von Haupt- und Beisennin | ||
15–17 Uhr | Marende; häusliche Tätigkeiten; Briefverkehr | ||
½ 18 Uhr | Abendessen; Kaffee für heimkehrende Hirten | ||
19–21 Uhr | Abendmelken (zwei Stunden lang) | ||
21 Uhr | Rosenkranzbeten; Küchengeschirr-Reinigen |
Den Tipp zum Buch „Auf der Alm und im Gamsgebirge“ aus der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“ (Kral Verlag) hier nachlesen. In den nächsten Monaten veröffentlichen wir Textauszüge aus dem Buch. Mit unserem neuen, kostenlosen Newsletter verpasst ihr keine Inhalte. Gleich unten anmelden!
Quelle:
Autor Georg Jäger
Verlag Kral, Berndorf
Erschienen 2021
445 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien
ISBN 978-3-99024-958-1
Kontaktdaten:
Kral GmbH Buchhandlung
Hernsteiner Straße 3/1
2560 Berndorf
buch@kral-berndorf.at
www.kral-buch.at
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