Der Tiroler Autor, Bibliothekar und promovierte Geschichtsexperte Georg Jäger aus dem Sellraintal schreibt über den harten Arbeitsalltag der bäuerlichen Bevölkerung der Alpenregionen. Der Textauszug stammt aus seinem Buch „Frauen und Mädchen bei der Arbeit“ aus der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“, erschienen 2020 im Kral Verlag (S. 26 – 27).
Butter über die Berge getragen
Schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts trugen frühmorgens die Tuxer Butterträger und Butterträgerinnen das in eigenen Tüchern kühl gehaltene Butterschmalz zum Verkauf über das Tuxer Joch nach Kasern ins Schmirntal und von dort hinunter nach Steinach am Brenner ins Wipptal, worüber auch Ludwig Steub (in: „Drei Sommer in Tirol“, München, S. 505) im Jahr 1842 kurz berichtet: „Auf dem Joch begegneten uns drei Duxer, ein Mann und zwei Weibsen, welche in ihren Kraxen Butter nach Steinach trugen. Es wird nämlich mit dem Butter aus dem Duxerthale ein großer Handel getrieben, und die Einwohner beiderlei Geschlechts tragen davon jährlich mehr als dreihundert Centner über die Jöcher nach Innsbruck oder in die Orte an der Brennerstraße.“
Der Geistliche Beda Weber beschreibt in seinem 1838 erschienenen Werk „Das Land Tirol. Ein Handbuch für Reisende. Band 3: Nebenthäler, Innsbruck, S. 74–75) nach dem großen Käsekonsum das beschwerliche Buttertragen im Tuxertal so: „Von allem Käse, der im Sommer auf den Alpen, im Winter zu Hause gepresst wird, kommt kein Pfund aus dem Thale, er ist der köstlichste Leckerbissen des Volkes. Besonders braucht man ihn zum Einkochen, und verschmerzt es leicht, dass die Butter über das Joch nach Innsbruck und anderwärtshin gehen muss. Ja es ist das sicherste Kennzeichen der Armuth, wenn Jemand keinen Käse zum Einkochen, und keine Jutte (Molken) zum Trinken hat. Der jährliche Käseverbrauch beträgt mehr als 600 Zentner.
Beschwerliche Buttertragen im Tuxertal
Desto schonender geht man mit der Butter um, kaum einmal wird in der Woche davon gekocht, alles geht entweder nach Innsbruck oder Hall, oder auch nach Matrey zum Verkaufe. Im Durchschnitte beläuft sich die weggehende im Sommer wöchentlich auf 10, im Winter auf 5 Zentner, also ungefähr auf 360 Zentner im ganzen Jahre, wenn man den Sommer zu 20, den Winter zu 32 Wochen rechnet. Die Butterträger sind arme Leute, die von diesem schmalen mühsamen Gewerbe nicht bloss sich, sondern oft noch eine kleine Familie ernähren müssen. Für das Pfund erhalten sie 1½ Kreuzer Trägerlohn, gleichviel ob sie im Sommer den Weg von 12 Stunden über das Geislerjoch, oder im Winter von 18 Stunden durchs Zillerthal machen. Auch im Sommer brauchen sie vier Tage, bis sie wieder heim kommen. Ein Mann trägt gewöhnlich einen Zentner, eine Weibsperson 50–70 Pfund, und dabei haben sie im Winter eine harte Bank, im Sommer einen Heustadel zu ihrem Nachtlager.“
Mehr als 12 Stunden Butter schleppen
In einem bei Erich Egg im „Schwazer Bezirksbuch. Inntal – Achental – Zillertal“ (Innsbruck 1981, S. 204) wiedergegebenen Bericht von 1851 steht über diesen Tuxer Erwerbszweig: „Ein anderes Geschäft haben die Butter- oder Schmalzträger, welche die Butter im Sommer über das Geislerjoch in 12 Stunden, im Winter durch das Zillerthal in 18 Stunden nach Innsbruck tragen; der Mann trägt einen Centner (56 Kilogramm), die Frau 70 bis 80 Pfund (28 bis 29 Kilogramm). Der Reisende vom Duxer Joch herab wird allseitig von schalkhaften Dirnen begrüßt und eingeladen oder gebeten, sie mit nach Zell, vielleicht auf den Kirchtag zu nehmen.“
Noch in den 1880er- und 1890er-Jahren wurden von den Tuxer Kraxenträgerinnen die globusähnlichen Butterkugeln in Innsbruck unter den Lauben der Herzog-Friedrich-Straße feilgeboten, wo sie sich übrigens sehr großer Beliebtheit erfreuten.
Gehstock, Kopfkraxe und Kopfbrett
Neben dem mit einer Kerbe am oberen Ende versehenen Gehstock bestand die Ausrüstung der Tuxer Butterträgerinnen aus einer Kopfkraxe, welche das Gewicht der getragenen Waren gleichmäßig auf Kopf und Schulter der Frauen verteilte. Das Kopfbrett diente als Schattenspender. Damit es nicht allzu sehr drückte und die Last ruhig auflag, wurde es durch einen Rundpolster abgestützt. Dieser war entweder mit Schweinehaar oder Werg (Flachs- oder Hanfabfall) gefüllt, wobei das Schweinehaar angeblich ein zu starkes Schwitzen der Kraxenträgerinnen verhinderte.
Außerdem wurde ein weißes Tuch um die Kraxe geschlungen: Einerseits konnten dadurch die auf den Brettern der Kraxe verstauten Butterknollen und Käselaibe nicht davonrollen, andererseits wurden diese beiden auf der Alm hergestellten und äußerst begehrten Milchprodukte gegen die allzu starke Sonneneinstrahlung geschützt. Um der ärgsten Mittagshitze zu entkommen, die vor allem den Butterknollen arg zusetzte, brachen die Trägerinnen vor Tagesanbruch auf und erreichten im Laufe des Vormittags ihre Zielorte zum Verkauf der Waren. Zur beschriebenen Kopfkraxe gehörte schließlich noch ein starker, selbstgewachsener Stecken oder Stock mit Handgriff. Die Länge des Steckens hatte übrigens genau zu stimmen, denn die Frauen mussten die Kraxe bei der Rast aufsetzen können.
Den Tipp zum Buch „Frauen und Mädchen bei der Arbeit“ aus der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“ (Kral Verlag) hier nachlesen.
Quelle:
Autor Georg Jäger
Verlag Kral, Berndorf
Erschienen 2020
336 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen
ISBN 978-3-99024-888-1
Kontaktdaten:
Kral GmbH Buchhandlung
Hernsteiner Straße 3/1
2560 Berndorf
buch@kral-berndorf.at
www.kral-buch.at
Bild- und Textrechte: Kral Verlag / Georg Jäger (Radierung 1818 von Johann Adam Klein)
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