Der Text stammt von Martin Achrainer vom Historischen Archiv des Österreichischen Alpenvereins. Dort wird die über 150-jährige Geschichte des Vereins erforscht. Achrainer pflegt u.a. Gründungsurkunden, Statuten, Protokolle, Briefe, Festschriften, Jahrbücher, wissenschaftliche Beiträge, Zeitschriften, Medientexte, Nachlässe. Ein Teil der Texte zur Vereinsgeschichte kann hier online eingesehen werden.
Der Alpenverein, der sich bei seiner Gründung im Jahr 1862 die Aufgabe gesetzt hat, die Kenntnis von den Alpen „zu verbreiten und zu erweitern, die Liebe zu ihnen zu fördern und ihre Bereisung zu erleichtern“, hat stets einen sehr weiten Begriff der „Alpen“ vertreten. Naturwissenschaftliche Interessen fanden ebenso Platz wie volkskundliche, und wer dem Hochgebirge zustrebte, dem entgingen auch die Almen nicht.
Wilde Natur und Kulturlandschaft kommen auf Almgebieten in Österreich zusammen
In der Bewunderung für „die hehre Einsamkeit der Alpen“ störten diese letzten Ausprägungen von „Menschenwerken und Menschenleben“ nicht, ist im Jahrbuch des Alpenvereins von 1887 zu lesen, „nein, das Großartige erscheint um so größer, wenn das schwache Bauwerk der Menschenhand im Vordergrund der aufstrebenden Zinnen und Zacken sich erhebt auf grünem Wiesenplan ober der gähnenden Tiefe; die Ruhe um so ergreifender, wenn sie unterbrochen wird auf dem kleinen Fleck, der erfüllt ist vom Lärm der Menschen und des denselben dienstbaren Viehes.“
Die Wahrnehmung der Landschaft hat sich nicht nur über die Jahrhunderte stets verändert, sie wechselt auch mit dem Standpunkt des Betrachters, worauf im Jahrbuch des Alpenvereins 1869 lehrreich hingewiesen wurde: „Der Aelpler und die Sennerin lächeln nicht selten über den Städter oder Naturfreund, der von dem Anblicke einer Gebirgsgegend förmlich entzückt wird, und können die sonderbaren Naturschwärmer nicht begreifen.“ Landschaftsmaler setzten die vom Publikum gesuchten Elemente in Szene, seien es Seen oder Wasserfälle, die in den Bildern viel häufiger zu sehen sind als in der Natur, oder eben auch die Almhütte, das Weidevieh, Hirten und Sennerinnen, die eine liebliche Staffage vor den gewaltigen Felsen und Eisgebirgen abgaben.
Almen haben für Alpinisten große Bedeutung
Die Almlandschaft hatte aber eine durchaus praktische Bedeutung – denken wir an die Bestrebung, die „Bereisung“ der Alpen zu erleichtern. Die frühen Alpinisten strebten vor allem der Gletscherregion und den Gipfeln zu; Wege und Steige zu den Almen und den höchsten Weideplätzen dienten ihnen als Anmarschweg, ebenso wie die alten Saumwege und Passübergänge, die im 19. Jahrhundert schon vielfach verfallen waren. Zumeist fanden diese Bergsteiger, solange sie nicht zur Landplage wurden, auf den Almhütten freundliche Aufnahme. Gewiss war das aber nicht, und die Erinnerung rückte manche Begegnung in ein verklärtes Idyll.
Er würde schon zum „senex loquax“, zum geschwätzigen Alten, meinte Karl Blodig, als er aus seiner Jugend erzählte: „Jede Alpenhütte gab erwünschte Labung und Unterkunft, man war überall ein gerne gesehener Gast, der in die hehre Einsamkeit erwünschte Abwechselung und Neuigkeiten aus der Welt brachte. Was man als Entlohnung für Milch und Butter gab, wurde mit einem ‚Vergelts Gott tausendmal, kommen S’ bald wieder‘ entgegengenommen.“ Die „Veteranen unseres Vereines aber werden mich und meine sehnsuchtsvolle Erinnerung verstehen!“
Bilder: Martin Achrainer
Wie haben sich Alpenverein und Almwirtschaft entwickelt
Martin Achrainers historische Erklärungen gehen weiter:
- Wie der Alpenverein Wege und Markierungen im Berggebiet forciert hat
- Wie Bergsteiger den Verfall der Almen im 19. Jahrhundert gesehen haben
- Wie es Bergsteigern anno dazumal auf Sennalmen ergangen ist
- Wie aus Almen Skihütten geworden sind
Weitere Beiträge rund um Geschichte und Brauchtum auf den Almen in Österreich
- Die Kunst vom Holzschindel-Klieben
- Kulturerbe Trockensteinmauern
- Brunnentrog selbstgemacht
- Traditionelles Almkranzbinden
- Raunächte und besondere Bräuche zwischen den Jahren