Ich habe es schon oft gesagt und ich sage es gerne wieder, mir war und ist die Alm eine Schule fürs Leben. Es geht bergauf, es geht bergab. Das Spezielle an der Alm ist, dass sich dein Wohlergehen so untrennbar und unmittelbar an das deiner Tiere knüpft. Und wenn da der Hund drin ist, und das war er diese Woche, dann ist mir das Klagen und das Weinen nur deshalb nicht so richtig gekommen, weil ich beides bewusst im Zaum halte. Aber ich spüre, wie es in mir aufsteigen will. Es ist da sozusagen auf Bereitschaft, wartet auf mein ok, als Klage, sogar als Anklage an – ja, an wen denn eigentlich? „Wofür schuftest du dich hier ab, reißt dir den Arsch auf, wenn alles nichts bringt, wenn alles den Bach runtergeht usw. usw.“ Das stimmt natürlich nicht, es geht bei Weitem nicht alles den Bach runter und ich weiß auch, dass sich mir alles wieder in einem anderen Licht zeigen wird.
Aber die sprichwörtlich kranke Kuh, bei der dann alles gute Zureden nichts nutzt, die bringt einen schnell an die eigenen Grenzen. Das kostet so viel Kraft physisch und mental, vor allem wenn die kranke Kuh im Plural auftritt …
Ihr dürft euch mit krank, nicht „todkrank“ vorstellen. Eher ist es vergleichbar mit Hochleistungssportlerinnen (denn das sind unsere Kühe!), die an einer Verletzung laborieren und deshalb ihre Leistung nicht bringen können. Wobei der Vergleich natürlich hinkt, weil die Diagnose beim Menschen so viel leichter fällt, der sagen kann, wo es zwickt. Apropos Hinken: Emma, eine meiner „kranken Kühe“, hinkt. Die Klauen sind oft als Erstes betroffen, wenn nicht alles stimmt. Da gibt es so ein Bakterium im Boden, das besonders bei dauerfeuchtem Boden in winzige offene Wunden eindringen kann und das gefürchtete Panaritium (Zwischenklauengeschwür) auslöst. Hochansteckend noch dazu! Also schnell Löschkalk im Stall gestreut, damit sich das nicht ausbreitet. Ähnlich bei Erkrankungen des Euters, die ebenfalls manchmal übertragbar sind. Da heißt es teuflisch aufpassen. Ja, das Euter ist so wie die Klaue eine Art „Sollbruchstelle“ im Immunsystem der Kuh, dieses so unglaublich leistungsstarke, aber eben auch anfällige Organ.
Nein, diese Woche war wahrlich nicht die Zeit des Lachens und Tanzens. Da muss ich durch. Am besten mit emotionaler Gelassenheit, anstatt zu hadern und zu guter Letzt mir selbst Vorwürfe zu machen, obwohl ich weiß, dass diese Dinge einfach vorkommen bei aller Sorgfalt. Das habe ich gelernt in meinen 12 Almsommern. Das ist doch tröstlich und eine Antwort auf die obige Anklage, warum ich mir den Arsch aufreiße: Um zu lernen auf und von der Alm. Amen.
Ihr habt die vorherigen Almpredigten verpasst? Kein Problem:
- Nachberg-Predigt #1: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen
- Nachberg-Predigt #2: Ich bin der gute Hirte
- Nachberg-Predigt #3: Haustierhalter sind bei Gott nicht moralisch besser als Nutztierhalter
Weitere Beiträge über Almsommer findet ihr hier:
- Ein guter Almsommer in der Steiermark, aber immer weniger Tiere auf der Alm
- So viel hat Almbauer Thomas zu Asten 1544 auf der Holzalm selbst erzeugt
- Nach 43 Alpsommer zum ersten Mal als Schafhirte auf der Alm
- Der Sommer beginnt