Schlaflose Nächte also. Auf der Alm. Ja, die gibt es und die sind genauso lang, wie es schlaflose Nächte überall sind. Was war geschehen? Ein unbedachter Ausfallschritt rauf auf die letzte Stufe meiner aus Paletten zusammengestellten Rampe fürs Einschütten der Milch in den Kühltank. Augenblicklich ein heftiger Schmerz im Lendenbereich, wie ein Stich, kalter Schweiß, Schnappatmung, Schwindel. Fast wäre ich, mitsamt dem schweren Milcheimer, von der Rampe gefallen. Nach „Einwerfen“ der doppelten Dosis an Schmerztabletten habe ich mich über diese Melkzeit gerettet, irgendwie mich von Kuh zu Kuh schleppend.
Danach aber war dann mal für zwei Tage Schicht im Schacht. Meine liebe Frau hat zusammen mit meinem Schwager die nötigsten Arbeiten übernommen. Nach Abklärung im Krankenhaus und zwei kurzfristigen Physio-Terminen habe ich dann wieder das Stallkommando übernommen und mich irgendwie durch die letzten drei Wochen gerettet. Mehr Zombie als Alminger, um ehrlich zu sein. Aber ich wollte nicht ausgerechnet in meinem 13. Almsommer vorzeitig die Segel streichen.
Der Almtraum wird zum Albtraum in der Nacht
Das Schlimmste waren die Nächte. Immer dann, wenn die Wirkung der starken Schmerzmittel nachgelassen hatte, war an weiteren Schlaf nicht zu denken. Woran sonst? Ja, da kommen einem so einige Gedanken und nicht die schönsten, so viel darf ich verraten. Anders ausgedrückt – und damit komme ich zurück zum Psalmwort –, das Abrackern tagsüber wurde nicht mit Schlaf belohnt, es fühlte sich irgendwie „umsonst“ an. Die schlimmsten Gedanken in der Nacht ließen sich ungefähr wie folgt an: „Das hast du nun von deiner ganzen Almbegeisterung, einen kaputten Rücken, Schmerzen, die dich nachts quälen und untertags miesepetrig machen!“ … „Dein Almtraum ist zum Albtraum geworden!“ … „Du hast dir da etwas schöngeredet, was im Grunde sinnlose Plackerei ist, gesundheitsgefährdend, unbedankt letztlich“, usw. usw.
Aber nein, so kann ich heute sagen, wo sich die Schmerzen weitgehend verzogen haben, um die Erfahrung reicher, dass meine Lieben mir helfen und ich mir helfen lassen kann, froh darüber, nicht in die Knie gegangen zu sein: Das Abrackern, das Brot der Mühsal sind notwendige Dinge, aber sie allein sind nicht der Sinn des Lebens. Im Schlaf, im Traum vielleicht, im Nachdenken, in der Stille macht sich etwas auf in Richtung deiner Seele und eröffnet ihr alles das, was von weiter herkommt als die Plage und was über diese hinaus geht. Dieses „etwas“, das dein Leben bereichert, das es im Innersten lebenswert macht.
Diese Gedanken verdanke ich einmal mehr der Alm. Vielleicht könnt ihr damit etwas anfangen …
Alle weiteren Nachbergpredigten von unserem Almfuchs gibt es für euch hier:
- Predigt #1: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen
- Predigt #2: Ich bin der gute Hirte
- Predigt #3: Haustierhalter sind bei Gott nicht moralisch besser als Nutztierhalter
- Predigt #4: Es gibt eine Zeit fürs Weinen und eine Zeit fürs Lachen
- Predigt #5: Lasset die Kinder zu mir kommen
- Predigt #6: Das Land, in dem Milch und Honig fließen
Weitere Geschichten von Almsommern und dem Leben auf der Alm haben wir hier für euch:
- Wer suchet, der findet
- Das ist die Schule der Alm
- Die Alm als Wiedereinstieg ins Berufsleben
- Seit der Kindheit mit der Alm verbunden
- Die harte Arbeit um jeden Zaun im Mölltal
- Das leise Zischen der Sense
- Helga Hager: Die Sennerin im Wipptal