Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #3: Haustierhalter sind bei Gott nicht moralisch besser als Nutztierhalter

Mich wundert es immer wieder wie selbstgerecht so manche Besitzer und Besitzerinnen von Haus- oder Hobbytieren in den Sozialen Medien runterschauen vom hohen moralischen Ross auf die Nutztierhalter und -halterinnen. Als würden erstere ihre Tiere nicht benutzen, sondern nur „best friend“ mit ihnen sein. Warum Hunde- Katzen- und Pferdebesitzer ihre „Lieblinge“ im Grunde genauso „benutzen“ und deshalb ihren moralischen Zeigefinger gar nicht erst erheben brauchen gegenüber den Nutztierhaltern, das steht – so ungefähr – schon in der Bibel, meine ich.

Heute fangen wir ganz vorne an. Bei der Erschaffung der Welt in sechs Tagen, wie sie uns im ersten Buch Mose, der Genesis geschildert wird. Tag fünf: Gott macht sich an die Erschaffung der Tiere und er erschafft sie als „Vieh“ und als „wilde Tiere“ „nach ihrer Art“. Da wollen wir mal kurz halt machen und dem Sinn dieser Worte nachspüren. Egal, was du von Gott und der Bibel halten magst, aber ist das nicht ein genialer Gedanke? Es gibt Tiere, die wild geschaffen sind und wild bleiben und solche die „nach ihrer Art“ als Vieh geschaffen sind. Halt, sagst du, so ein Blödsinn!

Die Milchkuh und der Haushund usw. sind natürlich nicht als solche „von Gott“ erschaffen, sondern der Mensch hat sie domestiziert, hat sie aus ihrer Urform, dem Auerrind und dem Wolf usw. heraus sozusagen in seine Welt hinein sozialisiert, selektiert, gezüchtet. Jaja, da hast du völlig recht, aber sie, diese Tiere, haben das eben mit sich machen lassen und vor allem: ihrer Art nach waren sie dem Menschen von Nutzen. Warum hat der Mensch nicht das Krokodil domestiziert, den Steinbock und den Lurch? Weil die ihm schlicht nichts nutzen. (Ich weiß schon, dass es Krokodilfarmen gibt als Touristenattraktion und Zoos mit Steinböcken und Lurchen (der Alpenzoo, glaub ich, hat auch Lurche…), aber das sind zwei paar Schuh im Vergleich mit unseren klassischen Nutztieren und Haustieren.)

Wir halten also fest mit der Bibel: Es gibt Tiere, die sich der Mensch zu Nutze macht, „nach ihrer Art“. Sehr spät in der Moderne, lässt er diese zu sich ins Haus und „adelt“ ihren Namen dementsprechend. Man darf aber durchaus fragen, ob es für den Stubentiger „nach seiner Art“ nicht viel „artgerechter“ wäre, wenn er sich draußen herumtreiben, ungehindert fortpflanzen, Vögel jagen und sich Bandwürmer und allerlei andere Parasiten einfangen, vom bösen Wolf gefressen bzw. viel wahrscheinlicher und in der Praxis weit häufiger, vom Auto überfahren werden könnte.

Dass wir sie seit vielleicht zwei-, dreihundert Jahren (sicher nicht viel länger – ich habe das jetzt nicht recherchiert) Haustiere nennen, ändert nichts daran, dass wir sie benutzen, nur halt zu neuen, anderen Zwecken, die aber „ihre Art“ irgendwie zulässt. Da wird es allerdings heikel, wenn ich zum Beispiel an den Schoßhund denke, diese Karikatur seines stolzen Stammvaters, des Wolfes.

Und noch heikler wird es für mich, wenn der Besitzer, die Besitzerin des genannten Hündchens, während dieses ihm oder ihr auf dem Schoß sitzt, in Facebook und Co die Moralkeule gegen die „bösen“ Nutztierhalter schwingt. Da möchte ich doch einen Sprung ins Neue Testament wagen und sagen: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt. 3.7) Und weiter heißt es dort: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, den Balken aber in deinem Auge siehst du nicht?“ Amen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Weitere Videos und Almbesuche von unserem Almfuchs

Noch mehr von unserem Almfuchs

Almfuchs’ Nachbergpredigt #5: Lasset die Kinder zu mir kommen

Almfuchs’ Nachbergpredigt #5: Lasset die Kinder zu mir kommen

Meine jüngste Tochter Maria und ihre beste Freundin Emma zu Besuch bei mir auf der Alm. Einmal mehr die Gelegenheit für mich zu beobachten, wie faszinierend Kühe für Kinder und […]

28. Juli 2024
Weiterlesen
Max Mayr-Melnhof zur Wolfsproblematik: Es geht nur mit Abschuss

Max Mayr-Melnhof zur Wolfsproblematik: Es geht nur mit Abschuss

Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben. Das sagen nicht nur die Befürworter der Wiederansiedlung des Großräubers, auch die Jägerschaft weiß, dass das Problem nicht einfach aus der Welt zu […]

26. Juli 2024
Weiterlesen
Max Mayr-Melnhof: Geht die Kuh, geht der Hirsch

Max Mayr-Melnhof: Geht die Kuh, geht der Hirsch

Was für eine Ehre und Freude zugleich. Kein Geringerer als der Herr Baron Max Mayr-Melnhof ist meiner Einladung gefolgt und in Begleitung seiner rechten Hand, Birgit Eberlein, von Salzburg aus […]

23. Juli 2024
Weiterlesen
Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #4: Es gibt eine Zeit fürs Weinen und eine Zeit fürs Lachen

Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #4: Es gibt eine Zeit fürs Weinen und eine Zeit fürs Lachen

Ich habe es schon oft gesagt und ich sage es gerne wieder, mir war und ist die Alm eine Schule fürs Leben. Es geht bergauf, es geht bergab. Das Spezielle […]

21. Juli 2024
Weiterlesen
Auf der Alpe Garnera wird die Tradition vom Sura Kees fortgeschrieben | Vorarlberg

Auf der Alpe Garnera wird die Tradition vom Sura Kees fortgeschrieben | Vorarlberg

Auf der Alpe Garnera im Vorarlberg Montafon wird nach jahrhundertealter Tradition der so genannte Sura Kees hergestellt. Veronika Kartnig, die Sennerin auf Garnera, verrät unserem Almfuchs im Interview, worauf es […]

16. Juli 2024
Weiterlesen
Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #2: Ich bin der gute Hirte…

Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #2: Ich bin der gute Hirte…

Was würden da wohl meine Nina und Nadja und Nora und die Nani antworten und die andere allen, die meines Bauern Vorliebe für den Anfangsbuchstaben „N“ entkommen sind. Die müsste […]

7. Juli 2024
Weiterlesen
„Ich habe in der Jugend jeden Urlaub auf der Alm verbracht“

„Ich habe in der Jugend jeden Urlaub auf der Alm verbracht“

Welchen Herausforderungen steht die Almwirtschaft gegenüber? Wie kann ihre Zukunft gesichert werden? Welche Rahmenbedingungen brauchen Mensch und Tier, um weiterhin erfolgreich wirtschaften zu können? Welche Interessenkonflikte gibt es zwischen Tourismus, […]

2. Juli 2024
Weiterlesen
Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #1: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen

Almfuchs‘ Nachberg-Predigt #1: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen

Erste Woche auf der Alm. Ich kann mich noch nicht recht entscheiden, ob das eine oder das andere die Sache besser trifft. Beides ist jedenfalls wahr… Eine neue Alm macht […]

30. Juni 2024
Weiterlesen
Gletscher, Klima, Almzonen: Wissenschafterin Andrea Fischer im Gespräch

Gletscher, Klima, Almzonen: Wissenschafterin Andrea Fischer im Gespräch

Welche Beziehung haben Sie persönlich zu unseren Almen? Ihr eigentliches Forschungsgebiet, die Gletscherzone, beginnt ja dort, wo die Almen aufhören?Genau, ich gehe an den Almen vorüber, wenn ich zur Arbeit […]

27. Juni 2024
Weiterlesen
Almfuchs trifft alten Almhasen auf der Tiefental-Alm im Pitztal

Almfuchs trifft alten Almhasen auf der Tiefental-Alm im Pitztal

Jochen und seine Frau Birgitt begrüßen mich überaus herzlich in ihrem mit behutsamer Hand an die Mindeststandards modernen Wohnens adaptierten ehemaligen Bauernhaus im hinteren Pitztal. Hier richten sich die beiden […]

25. Juni 2024
Weiterlesen