Alm ohne Weidetiere? Interview mit Bundesobmann Josef Obweger

… Wie verändert sich „das Gesicht“ unserer Almen, wenn dort oben kein Almvieh mehr weidet? Wie wirkt sich ein Almsommer auf das Wohlergehen unserer Tiere aus? Was steht für unsere Almen bei der Debatte um Tierhaltungskennzeichnung und Tierwohllabels auf dem Spiel?

Unser Almfuchs im Gespräch mit Josef Obweger, der sich wie kaum ein anderer auskennt, wenn es um die Alm geht. Der Kärntner Almbauer und Pädagoge am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Litzlhof leitet als Bundesobmann seit 2024 die Geschicke des Almwirtschaftlichen Vereins.

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Weidetiere sind direkt verantwortlich für Artenvielfalt
Unsere Almen als artenreiche, mosaikartige Landschaft sind nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis jahrhundertelanger Kulturarbeit. Als diese offene, abwechslungsreiche Landschaft bleibt sie nur erhalten, wenn sie weiter bewirtschaftet wird. Der Natur überlassen, würden einige wenige lichtliebende, schnell wachsende Pflanzen alle anderen über kurz oder lang aus dem Feld schlagen. Eine der bekanntesten Nutznießerinnen der Auflassung von Almen ist die Grünerle. So heißt es in einer Studie im Auftrag der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT): „[D)ie Grünerle (..) überwuchert jährlich mehrere hundert Hektaren aufgegebener Alpweiden und breitet sich damit drei- bis viermal schneller aus als der Wald. (…) Bedecken Grünerlen nur schon die Hälfte einer Fläche, wird die Pflanzenvielfalt halbiert, so dicht ist ihr Bewuchs. Aber auch Insekten und Vögel werden seltener.“ Hinter jeder Pflanze stehen zahlreiche andere Arten in der aufsteigenden Nahrungskette: also Insekten, Vögel, Amphibien, Säugetiere, Pflanzenfresser unter den Säugetieren und schließlich deren Jäger.

Auf bewirtschafteten Almflächen finden wir bis zu 100 verschiedene Pflanzenarten und damit ein Vielfaches an Artenvielfalt im Vergleich zu intensiv genutzten Gunstlagen in den Tälern.  

Gealpte Tiere leben länger …“
zitiert Sepp eine bayerische Vergleichsstudie auf meine Frage nach den Auswirkungen der Alpung auf das Tierwohl. Und er erzählt eine Anekdote aus seiner eigenen Erfahrung. Bei seiner damals ältesten Kuh habe er lange überlegt, ob er ihr den beschwerlichen Anmarsch auf die Alm ersparen und sie stattdessen gleich mit dem Traktor rauffahren solle.

Schließlich habe er sich entschieden, es zu Fuß zu probieren, mit der Option Traktortaxi im Fall, dass sie nicht mit der Herde mithalten könne. Am Ende „sprintete“ die Veteranin vor allen ihren jüngeren Kolleginnen auf die Alm. Derlei anekdotische Beobachtungen könnte ich selbst einige aus meinen vielen Almsaisonen beisteuern. Alpung, so Sepp, bedeute für die Gesundheit der Tiere maximale Bewegungsfreiheit und dies in Höhenlage, was sich als quasi „natürliches Blutdoping“ entsprechend auswirke.

Streitfall „Kombinationshaltung“
Trotz dieser gut argumentierbaren Vorteile fürs Tierwohl droht der Alm gerade von dieser Seite Ungemach. Auf vielen Almen und ihren dazugehörigen Talbetrieben werden nämlich Kühe zeitweise angebunden in der sogenannten Kombinationshaltung (Kombination von zeitweiser Anbindung und Auslauf bzw. Weidegang). Diese traditionelle Form der Haltung von Milchkühen ist in weiten Teilen des Alpenbogens heute wie seit vielen Jahrhunderten verbreitet. Heutzutage aber erfährt sie Kritik. Grundsätzliche Kritik, der zufolge Kühe unter keinen Umständen angebunden werden dürften.

Ohne auf diese komplexe Debatte im Detail eingehen zu können, plädiert Sepp hier, diese mit Augenmaß zu führen. Die unzweifelhaften Vorteile des freien Weidegangs und anderer tiergesundheitlicher Aspekte müssten Berücksichtigung finden. Ein generelles Verbot jeder Form der Kombinationshaltung müsse unbedingt verhindert werden. Alle in dieser Debatte involvierten Gruppierungen täten gut daran – am besten auf einer Alm – sich an einen Tisch zu setzen und langfristige Lösungen zu finden – im Sinne der Erhaltung der Almwirtschaft als außer Streit gestelltem Ziel.

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