Ohne Handy war es früher rund um unsere Almen das Kommunikationsmittel Nummer eins: Mit Jodlern haben sich Almer, Almhalterinnen, Senner und Sennerinnen über Täler hinweg verständigt und wichtige Lebenszeichen von sich gegeben. Durch die neue Technik ist das nun nicht mehr nötig. Doch Jodeln ist eine liebgewonnene Tradition geworden und Kurse brummen im wahrsten Sinne des Wortes.
Jede Stimme findet sich zurecht
Beim Jodeln findet jede Stimme eine Lautfolge, die sie in Schwingung bringt, sagt Jodelexpertin Brigitte Schaal aus Oberösterreich. Mitsingen kann eigentlich jeder. Tiefe wie hohe Stimmlagen, alle kommen ins Schwingen, meint sie. „Einfach trauen.“
Beim Jodeln geht es gerade nicht um genaues aufeinander Abstimmen, um einen strengen Rhythmus oder Text. „Die Melodie gut ins Ohr bekommen und dann frei Drauflos-Singen. Das macht Jodeln so besonders. Nicht lange nachdenken, es muss nicht immer alles perfekt sein, wie wir sonst gerne sein wollen“, kann sich Schaal einen Seitenhieb auf die oft so hohen eigenen Ansprüche nicht verkneifen.
Beim Jodeln wird eine Tonfolge ohne bestimmten Text gesungen. Der Klang steht im Vordergrund. Dabei geht es auch um den Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme. Die hörbaren Brüche dazwischen sind typisch beim Jodeln.
Tipps und Tricks zum Jodeln findet ihr hier.
Beim Jodeln geht es darum, „den Klang zu genießen“. Es könne „richtig wohltuend“ sein. „Nach dem Kurs ist die Stimme zwar vielleicht ein wenig abgesungen, doch man geht beschwingt und energiegeladen heim“, sagt Jodelexpertin Schaal.
Gesungene Lebensfreude
„Jodeln ist ein Ausdruck von jauchzender Lebensfreude“, fällt der begeisterten Sängerin ein Zitat von Volksmusik-Legende Lois Neuper aus Bad Goisern ein. Brigitte Schaal ist mit Volksmusik aufgewachsen, wie sie erzählt. Schon in der Schule in Rosenheim habe sie gern und viel gesungen und gejodelt. Seit 34 Jahren ist sie in Oberösterreich und hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Schaal arbeitet in der Sammlung Musik im Volksliedarchiv des Landes Oberösterreich, hat dementsprechend viele Jodler gesammelt und einige Jodelbücher herausgegeben und Standardwerke neu aufgelegt. „Manche Jodler gehen ganz leicht, andere sind sehr verzwickt“, sagt Schaal.
Die Melodien sind dabei großteils über 100 Jahre alt und werden nahezu unverändert heute genauso gesungen. „Sie sind keineswegs aus der Mode gekommen, ganz im Gegenteil erfreuen sich die traditionellen Jodler derzeit größter Beliebtheit.“
Hinauf gejuchzt, um sich zu erkundigen
Ursprünglich wurden Almrufe oder -schreie, so genannte Juchezer, einstimmig gesungen. „So konnten sich die Hirten der verstreuten Almen in der Früh ,zusammenrufen‘. Handy gab es damals ja keines.“ Während beim Juchzen ein veränderbarer hoher Ton schrittweise abfällt, haben Almrufe oft eine festgelegte, aber einfache Melodie. Damit ließ sich leicht feststellen, ob „da drüben“, auf den anderen Almen, alles in Ordnung ist. „Wer keine Antwort erhielt, der ging nachschauen, ob ein Unglück geschehen war“, erzählt Schaal.
Almrufe oder Juchezer kamen auch zum Einsatz, um das Vieh anzulocken. Außerdem gab es früher den Brauch, dass sich gern Besucherinnen bei Ankunft auf der Alm mit einem Juchezer anmeldeten. Dies drückte die Freude über den geschafften Anstieg aus. Beim Verlassen der Alm schickten die – dazumal vorwiegend weiblichen – Sennerinnen dem Gast einen Juchezer nach. Die Jodelexpertin erinnert sich noch an „Sennerinnen und gleichzeitig Sängerinnen“ in Bayern bis zum Anfang der 1990er Jahre. „Wenn im Tal beim Parkplatz jemand hinauf gejuchzt hat, wussten sie, dass sie in einer Stunde etwas zum Essen herrichten müssen.“
Im Laufe der Zeit ist Jodeln von einer lebensnotwendigen zu einer geliebten Tradition geworden und hat sich als Kunstform in die Volksmusik etabliert. Wer sich also noch nicht traut selbst zu singen: zum Einstimmen auf den Almsommer machen es einstweilen die zahlreichen Sängerinnen und Sänger vor.
Kultur auf der ganzen Welt
Die Anfänge des Jodelns gehen auf verstreute Berggebiete zurück. Diese Singtechnik findet sich übrigens in verschiedensten Kulturen auf der ganzen Welt. Über weite Distanzen verständigten sich die Bewohnerinnen und Bewohner damals mit akustischen Signalen oder besonders in Spanien mit Pfeifen. Auf der kanarischen Insel La Gomera gibt es sogar eine eigene, weltweit einzigartige Sprache, die nur Pfeiftöne enthält. Die „Silbo Gomero“ ist seit 2009 Immaterielles Weltkulturerbe. Seit 1999 wird sie an den Schulen der Insel unterrichtet.
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