Es ist ein fast unvorstellbares Leben auf unseren Almen in den vergangenen Jahrhunderten gewesen. Mit der heute mitunter verklärten Hüttenromantik hat das damals oben am Berg wenig zu tun gehabt. Die Lebensumstände waren hart wie bisweilen das Wetter. Davon erzählen auch die gebauten Almhütten und deren Inneneinrichtung. Diese lassen sich am besten mit einem Wort beschreiben: karg sah es bis zur Industrialisierung und mancherorts darüber hinaus bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg aus.
Nieder, klein und wenig Räume
Die Almhütten waren zu dieser Zeit nieder, mit wenigen Räumen, kleinen Fensterluken und spärlichen Besitztümern ausgestattet. Gang, Rauchkuchl, Stube und manchmal noch Schlafkammern und ein Keller, so hat sich ein Rundgang gestaltet. Egal ob in Vorarlberg, Tirol, Salzburg oder bis in die Steiermark und Kärnten. „Die Alpenregionen weisen eine ganz ähnliche Architektur auf.“ Das berichtet Thomas Bertagnolli, Kustos vom Museum Tiroler Bauernhöfe in Kramsach. „Grundsätzlich waren die Almen bis zum zweiten Weltkrieg sehr dürftig ausgebaut. Nur das Notwendigste ist auf den beschwerlichen Weg mit Tragtieren zu den höher gelegenen Almgebieten mitgenommen worden.“ Weil es dort droben vielfach vorhanden und daher kostengünstig ist, wurde zum Bauen viel umliegendes Holz verwendet. Und je höher es hinauf geht, desto schlichter werden die Gebäude.
Je höher, desto schlichter
Bertagnolli betont die Unterschiede der Höhenlagen unserer Almgebäude. Beginnend von oben: Ein so genannter Hochleger, oberhalb der Baumgrenze, sah vor der Industrialisierung oft nur wie ein „bekriechbarer und bedachter Unterstand“ aus. Material hinauf zu transportieren gestaltete sich äußerst schwierig. Holz musste mühsam von Tragtieren geschleppt werden. Hochleger seien daher oft nicht mehr als ein Verschlag aus wenigen Brettern und mehr Steinen gewesen. Viele von ihnen in den hochalpinen Geländen sind mittlerweile nur mehr als Ruinen vorhanden, wenn überhaupt.
„Einer Hirtenhütte gleich diente der Hochleger lediglich der kurzfristigen Übernachtung. Hochleger waren im hochalpinen Gelände und zur Beweidung nur ein paar wenige Wochen im Hochsommer vorgesehen. Bei Wettereinbrüchen führte man die Tiere auf Mittel- und Niederleger zurück.“ Dort waren die Almhütten vergleichsweise besser ausgestattet, jedoch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts auch noch allesamt sehr einfach, wie Kustos Bertagnolli erklärt.
Mittelleger waren schmucklose, niedrige Almhütten mit Ofen, an dem man sich nachts wärmen konnte. Küche gab es allerdings vielerorts keine. Mittelleger wurden im Sommer genutzt. Bei Wettereinbrüchen zogen sich Hirten, Hirtinnen und Vieh stets auf Niederleger zurück. Auch die gemolkene Milch wurde mit Milchziehern, Holzschlitten, oder Milchzummeln, am Rücken befestigte Holzfässer, zum Niederleger transportiert.
Niederleger mit hofähnlicher Architektur
„Niederleger waren fast schon wie ein kleines Wohnhaus, wie ein kleiner ,Abklatsch‘ vom Hof“, erzählt der Kramsacher Kustos. Niederleger wurden je nach Höhenlage schon im Mai oder Juni bezogen. Diese Hütten waren vor der Industrialisierung vor allem durch gesäumte Wege erreichbar. Tragtiere wie Pferde, Esel und Mulis konnten einiges an Material hinauf transportieren. Daher waren Niederleger im Vergleich zu den höher gelegenen Mittel- und Hochlegern relativ gut ausgebaut, mancherorts mit Mauerwerken und oder kleinen Fenstern mit Eisengitterstäben oder hölzernen Fensterläden. Der Blick hinaus in die umliegende Bergwelt war jedoch stets ein kleiner.
„Fenster waren etwas Besonderes und sind erst im 19. Jhd. mehr und mehr dazu gekommen“, sagt Bertagnolli. Als einfachste Form von Fenstern galten anno dazumal kleine Öffnungen, „nicht einmal so groß wie ein DinA4-Blatt. Diese waren so klein, um der hereinziehenden Kälte keine Chance zu geben.“ In der Nacht seien diese mit Heu und Streu oder Leder verschlossen worden.
„Düstere Zeiten in den Almhütten“
Durch die niedere Raumhöhe, wenigen Lichtquellen und kleinen Fenstern sind es für Bertagnolli „sehr düstere Zeiten in den Almhütten.“ Lediglich die Stube war ein gemütlicher Ort, ohne Rauch, weniger Zugluft und mit viel Wärme vom Ofen. Wie eine solche ausgesehen hat, haben wir in diesem Beitrag beschrieben: Die Stube war der behaglichste Ort auf unseren Almen Neben der Stube war der zweite zentrale Ort die so genannte Rauchkuchl mit offenem Feuer zum Kochen und Milch vorbereiten für’s Käsen. Die Almküche stellen wir hier vor: Die Rauchkuchl mit offenem Feuer und Funkenhut.
Auf der Alm spielte sich der Tag hauptsächlich draußen ab. An dem Türstock am Eingang der Hütte waren meist eingekerbte oder gebrannte Segens- oder andere Sprüche sowie Jahreszahlen angegeben. „INRI war oft eingeritzt oder ein Pentagramm, damit die so genannte Brut nicht hineinkommt. Palmkätzchen sind als Abwehrzeichen gegen Böses ebenfalls dort gerne angebracht worden.“ Auf dem Dach hat es oberhalb des Einganges oft noch Hauswurzen gegeben, die Pflanzen sollten „gegen Hexen und böse Geistwesen“ wirken.
„Die Almen waren oft sehr windexponiert und um das pfeifende Windgeräusch zu brechen, wurden an die Dachkante große Fichtenzweige gelegt“, führt Bertagnolli aus. Das Dach selbst wurde meist aus dem umliegenden Holz gezimmert. Traditionell wurden aus Lärchenholz Schindeln geschnitzt und in vierfacher Weise lose übereinandergelegt. Dieses Handwerk zeigen wir euch in diesem Beitrag.„Dachschindeln aus Holz waren Gang und Gäbe. Bei Wind wurden diese noch zusätzlich mit Holzverzapfungen befestigt oder teilweise Schieferplatten und Steine darübergelegt.“
Wichtiger Brunnentrog für Vieh und Mensch
Vor der Almhütte hat es in unmittelbarer Nähe, sofern nicht direkt ein Bachlauf vorhanden war, einen Brunnentrog gegeben. „Dieser war allein schon wegen dem Vieh notwendig. Das Wasser zum Kochen und Käsen ist mit Kübeln in die Almhütte getragen worden“, berichtet der Kramsacher Kustos.
Wer das Wasser wieder loswerden, sich also erleichtern musste, der tat das vor allem in der Wildnis. Stille Örtchen oder Plumpsklos hat es erst recht spät gegeben, meint Bertagnolli vom Museum Tiroler Bauernhöfe. „Eventuell auf Niederlegern wurde eine Grube ausgehoben und eine einfache Umhausung aus Brettern herumgezimmert und ein Donnerbalken eingesetzt. War die Grube voll, wurde eine neue ausgehoben und die Umhausung einfach dorthin getragen.“
Die umliegenden Wälder waren es auch, die dem Vieh nachts, oder wenn schlechtes Wetter aufzog, Unterstand boten. „Der Großteil der Almen hatte damals keinen Stall. Ab und zu gab es eine Art freistehenden Stall, eine so genannte Außen- oder Frühlingsstelle, die man auch als Gras und Heuspeicher für den Winter nutzen konnte.“
Für Vieh und Menschen waren es auf den urtümlichen Almflächen und in den Gebäuden eine Zeit voller Entbehrungen. Schönwetter wurde da ebenso freudig gesehen, wie das lodernde Feuer im Ofen und die dampfende Pfanne voll Mus oder Brei. Die Zeiten änderten sich vor rund 80 Jahren schlagartig. „Die Modernisierung der Almen hat nach dem zweiten Weltkrieg stattgefunden. Die besprochenen sehr rudimentären Almen finden sich heute nicht mehr oft, oder häufig in desolatem oder verfallenem Zustand“, weiß Bertagnolli. Die Zeugen der Zeit haben das Zeitige gesegnet, wenn man so will. Umso wichtiger ist es, die Geschichte unserer Almen und deren Bewohner für die Nachwelt festzuhalten.
Über das Aussehen unserer Almen mehr erfahren:
- Die Rauchkuchl mit offenem Feuer und Funkenhut
- Die Stube war der behaglichste Ort auf unseren Almen
- Traditionelle Dachschindeln aus Holz
- Der Brunnentrog als Treffpunkt für Mensch und Tier
- Hochgewachsenes Zaunlexikon vor der Weidesaison