Was war zuerst da: in die Ferne sehen oder Fernsehen? Die Antwort liegt auf der Hand. Doch mittlerweile kann man im Fernsehen in die Ferne sehen – und der Blick schweift mitunter über unsere Almen, Hütten, Weiden und Bergkulissen. Filme, TV-Produktionen und Dokumentationen, in denen sie eine Hauptrolle spielen, sind vielzählig. Einen Überblick darüber hat Johannes Köck. Er und sein Team von Cine Tirol Film Commission, ein Geschäftsfeld der Tirol Werbung, unterstützen internationale wie heimische Filmemacher bei der Realisierung von Spiel-, Fernseh-, Werbefilmen und Dokumentationen sowie Kurzvideos und Fotoshootings in Tirol. Heuer im April feiert Cine Tirol ihren 25. Geburtstag. Rund 1900 verschiedenste Projekte aus allen Sparten sind in dieser Zeit nach Tirol geholt worden. Zahlreiche davon haben auf unseren Almen gespielt, denn als Drehorte werden sie gerne und oft verwendet. Einen Einblick über einzelne Filmprojekte gibt unser Beitrag hier.
Welche Rollen spielen die Almen bei Tiroler Filmproduktionen? Haben Sie große Bedeutung oder sind sie eher eine Randerscheinung?
Johannes Köck: Die Nachfrage nach Almen ist überdurchschnittlich hoch. Wir bieten das Location-Service an und haben auch das Location-Archiv. Manchmal entsteht schnell die Herausforderung zu klären, was stellen sich die Filmschaffenden unter der gesuchten Alm vor. Grundsätzlich ist Tirol gesegnet mit Almen, interessanterweise werden von Filmschaffenden oft auch Berggasthäuser, Alpenvereinshütten oder Chalets als Almen verstanden. Die Bandbreite typischer Almen ist generell groß, von der Klischeealm, sprich Heidi-Alm, bis hin zu ganz modernen oder umgebauten Almen.
Angesprochen auf die Heidi-Alm: Ist das Klischee dieser heilen Welt auch bei den Anfragen sehr präsent? Wird diese Almidylle noch vermehrt gesucht und findet damit immer wieder Eingang in die Filme?
Johannes Köck: Die Grundidee einer Alm hat schon sehr mit dieser Prägung der Heidi-Erzählung zu tun. Menschen, die in großen Städten, oder auch außerhalb von Europa leben, haben wenig Bezug und können sich real wenig bis gar nichts vorstellen. Aber den Heidi-Film haben sie in der oder der Form gesehen und definieren die Alm daher so. Es ist grundsätzlich schon sehr eingebrannt, aber auch wiederum sehr projektabhängig. Wir haben mehrere Produktionen mit Almdrehorte realisiert, wo diese romantische Vorstellung von einer Alm gar keinen Platz hat. Es war hier viel mehr ein Fluchtort, ein Rückzugsort, oder ein klassischer Urlaubsort.
Braucht es im Film mehr Vielschichtigkeit in Bezug auf die Almen?
Johannes Köck: Auf alle Fälle. In unserem Location-Archiv sind derzeit 87 Almen gelistet. Um die vielen Anfragen besser und vielfältiger beantworten zu können, wären wir sehr dankbar, wenn wir die Zahl deutlich aufstocken könnte. Im Wissen, dass es über 2100 Almen in Tirol gibt, würden wir uns wünschen, die Zahl in unserem Archiv deutlich erhöhen zu können. Bei Almen, die als Drehorte verwendet werden, ist die sichere Erreichbarkeit im Regelfall ein entscheidendes Kriterium. Es gibt auch Filmprojekte, die eine Alm suchen, die in einem schlechten, verwitterten, nicht so tollen Zustand ist, weil sie als Fluchtort dienen soll. Die Almen müssen nicht zwingend immer herausgeputzt sein, mit den blühenden Geranien am Fensterbankl. Um den Charakter eines Films oder einer Szene zu definieren, sind zum Teil auch weniger attraktive oder verlassene Almen gefragt.
Die Alm wird im Film also immer öfter auch als unwirtlicher oder ausgesetzter Ort dargestellt?
Johannes Köck: Was auch immer öfter dargestellt wird, ist die Härte und sind die Herausforderungen eines Lebens auf der Alm. Das zeigen zum Beispiel Filme über die Schwabenkinder, da ist es mit der Idylle gleich vorbei (Einblicke hier). Auf der anderen Seite höre ich, waren Almen über den Sommer auch ein gewisser Freiraum für die dort arbeitenden Menschen.
Hat sich das Bild der Almen in den Filmjahren gewandelt? Ist es vielschichtiger geworden?
Johannes Köck: Aus dem Blickwinkel der Filmschaffenden definitiv. Es sind immer auch Anfragen gekommen, die zwar den Begriff der Alm verwendet haben, und im ersten Moment diese romantische Vorstellung innehatten, jedoch auch andere Seiten suchen. Denn als Fluchtorte muss eine Alm überhaupt nicht romantisch sein, manchmal auch eher dunkel und düster, mit frühem Regen und frühem Schnee usw. So bekommt die Alm gleich einen ganz anderen Charakter.
Aus Sicht der Location-Suchenden: Ist es schwieriger geworden, originale Almen zu finden – oder gibt es noch genug Originale?
Johannes Köck: Es ist eine Mutmaßung, aber ich denke von den über 2100 Almen in Tirol wird es noch viele geben, die in einer authentischen Art und Weise bestehen.
Was würde passieren, wenn immer mehr Almen aufgelassen werden, wie die Zahlen zeigen?
Johannes Köck: Ich würde es sowohl aus beruflicher als auch aus persönlicher Sicht sehr bedauern. Ich habe aller größte Hochachtung und Wertschätzung vor all den Menschen, die auf Almen leben und arbeiten, und über den Sommer bewirtschaften. Es ist ein Kulturgut der besonderen Art, verbindet die Kulturräume auch weit über die Grenzen von Tirol und Österreich. Ich war in Nepal und in Peru, und bin auch dort immer wieder auf Almen gestoßen, wo mich die Vergleichbarkeit zwischen dem Himalaya, den Alpen und den Anden unglaublich beeindruckt hat. Wo die Melkschemel genauso groß und auf drei Beinen sind, weil sich das – getrennt voneinander – in all diesen Kulturräumen als das optimale Sitzmöbel herausgestellt hat.
Vielen Dank für das Gespräch!
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