Ein Besuch auf der Schachenalm im Krimmler Achental
Das bekannte und viel bewanderte Krimmler Achental ist ein Seitental des Salzachtales im Pinzgau. Es erstreckt sich oberhalb der weltbekannten Krimmler Wasserfälle entlang der Krimmler Ache. Almwirtschaft hat im Krimmler Achental einen hohen Stellenwert. Eine Besonderheit ist der Umstand, dass Teile des Tales (sieben Almen) im Besitz von Landwirten aus Südtirol sind. Drei dieser Almen werden auch heute noch von Bauern aus dem Ahrntal in Südtirol bewirtschaftet.
Im Herzen des malerischen Achentals, umrahmt von den Zillertaler Alpen und den mächtigen hohen Tauern liegt auf einer Seehöhe von rund 1600 m die Schachenalm, die sich seit dem 18. Jahrhundert im Besitz der Familie Obermair aus Südtirol befindet. Seit vielen Generationen bewirtschaftet die Familie die Alm mit viel Liebe und Ausdauer. Insgesamt hat die Alm eine Fläche von 369 Hektar und eine Almfutterfläche von ca. 60 ha. Zusätzlich werden noch knapp sechs Hektar ebene Mähwiesen bewirtschaftet. Die Alm wurde seit jeher als Milchviehalm bewirtschaftet. Die wertvolle Almmilch, wovon zurzeit gut 500 Liter pro Tag anfallen, wird an die Pinzgau Milch geliefert. Dazu muss die Milch aber erst 10 km talauswärts gebracht werden. Diesen Transport erledigt dankenswerter Weise schon seit einigen Jahren der Almnachbar von der Blitzenbichlalm.
Seit Jahren auf der Alm
Bei meinem Besuch im Krimmler Achental treffe ich Franz und Maria Obermair, die Austragleute vom gleichnamigen Obermairhof in St. Jakob im Ahrntal. Sie verbringen jedes Jahr die Sommermonate auf der Alm. Franz ist 80 Jahre alt und kennt das Almleben schon seit seiner Kindheit. Er verbringt seit 1993 jedes Jahr den gesamten Almsommer dort. Seine Ehefrau Maria begleitet ihren Mann nun schon seit einigen Jahren im Sommer. Ihr fällt die Umstellung auf das Almleben jedes Jahr ein wenig schwerer als ihrem Ehemann Franz, aber im Gespräch merkt man bald, dass auch sie eine große Liebe zum Almleben hat und stark verbunden ist mit den Tieren und der Almwirtschaft. Die beiden sind natürlich dankbar für jede helfende Hand die sie bei dem arbeitsreichen Almleben unterstützt. Dazu ist Praktikant Elia auf der Alm. Er ist siebzehn Jahre alt und hilft schon seit einigen Jahren im Sommer auf der Schachenalm mit. Für Franz und Maria ist er eine große Stütze und sie freuen sich, dass auch die Jugend Interesse an der Almwirtschaft zeigt. Und das, obwohl es keinen Computer und kein Internet auf der Alm gibt. „Den Strom, der im eigenen Kraftwerk erzeugt wird, brauchen wir für das Licht und die Melkmaschine“, berichtet mir Franz. Trotz einiger Modernisierungen – die Alm wurde bereits dreimal von einer Lawine stark beschädigt – ist die Hütte in ihrem Wesen geblieben, was sie ist: Eine alte Almhütte, die so einiges erzählen könnte über die Senner und Hirten, die hier viele Sommer verbracht haben. Im Inneren finde ich einige Bilder und Erinnerungen an frühere Geschehnisse auf der Alm. „Während des Almsommers bekommen wir sehr oft Besuch“, meint Maria, denn viele schätzen die wunderschöne Landschaft des Krimmler Achentals und genießen es ein wenig Almluft zu spüren. Ganz besonders glücklich sind Maria und Franz, dass auch ihre Enkel einige Zeit im Sommer auf der Alm verbringen – denn dann kommt Leben in die beschauliche Almhütte.
Viel Arbeit auf der Alm
In den Sommermonaten gibt es viel Arbeit auf der Alm. Tiere füttern, das Melken der 26 Milchkühe, Nachschau halten, denn die Herde ist oftmals auf dem weitläufigen, steilen Gelände verstreut. Franz hat auch das nötige Gespür für seine Arbeit auf der Alm, das merkt man wenn er seine Geschichten erzählt und er kennt auch die Anzeichen für Wetterumschwünge. Das ist bei der Arbeit auf der Alm oft besonders wichtig, denn die Verantwortung für das Vieh lastet auf dem Senner. Die Gewitter im Achental kommen von allen Seiten und sind oft mit Murenabgängen verbunden. Hier ist Franz froh, dass man nach schweren Unwetterschäden vom Katastrophenfonds unterstützt. Die Unwetter bringen viel Gestein und Gehölz auf die Almflächen, die dann mit großem Arbeitsaufwand wieder entfernt werden müssen.
Der Tag auf der Schachenalm beginnt für alle sehr früh und ist gefüllt mit viel Arbeit, trotzdem sind die Almleute zufrieden und stolz auf ihre Almwirtschaft. Früher, als Franz noch nicht den ganzen Sommer auf der Alm verbrachte, nahm er mehrmals im Sommer den beschwerlichen Weg über den Krimmler Tauern in Kauf um die Senner auf der Alm zu unterstützen. Drei bis vier Stunden beschwerlicher Fußmarsch für eine Strecke war immer noch schneller als der lange Weg mit dem Auto. Der Almsommer 2020 wird noch einige Zeit in Erinnerung bleiben. Viele Wochen blickte man voll Sorge auf die Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie. „Können wir 2020 überhaupt auf unsere Alm fahren?“, diese Frage beschäftigte den Jungbauern Josef Obermair sehr. Er führte zahlreiche Telefonate und schrieb unzählige E-Mails an verschiedene Institutionen und Ministerien, um den Almsommer 2020 auch rechtlich korrekt durchführen zu können. Schwierig war für ihn, dass Gesetze und Verordnungen von zwei Ländern (Italien und Österreich) einzuhalten waren, um nicht den Quarantänebestimmungen beider Länder zu unterliegen. Letztendlich hat es sich aber zum Guten gewendet und dem Transport der Tiere auf die Alm stand nichts mehr im Weg. Die größte Hürde war die Einreise des Almpersonals, aber letztendlich sind alle gut auf der Alm angekommen. Der Almauftrieb erfolgt seit vielen Jahren nun schon mit dem LKW. Zuerst kommen die Jungrinder und anfangs Juni die Milchkühe.
Almabtrieb über den Krimmler Tauern
Der Almabtrieb erfolgt nach alter Tradition über den Krimmler Tauern. „Du musst die Tiere auf dieses Ereignis gut vorbereiten“, erzählt mir Franz. Es ist für Treiber und Tiere ein sehr anstrengender Tag und oftmals wird an vom schlechten Wetter überrascht und man muss weite Strecken über Schnee gehen. Das erfordert gute Kondition und langjährige Erfahrung von allen Beteiligten. Viehtrieb über Landesgrenzen hinweg stellen zudem auch bürokratisch eine Herausforderung dar. Als Österreich noch nicht Mitglied der EU war wurden beim Zollhaus am Krimmler Tauern Kontrollen durchgeführt. Beim Übertritt wurde jedes Tier tierärztlich kontrolliert und registriert. Gültige Papiere und Ausweise waren Voraussetzung für einen reibungslosen Grenzübertritt. Der Beitritt zur EU hat einiges verbessert. Die Passkontrollen sind entfallen, die Tierkontrollen werden nun von den Tierärzten durchgeführt und die Almzeugnisse ausgestellt. Helfer hat man für den Almabtrieb glücklicherweise genug. Viele sind stolz und freuen sich bei diesem Ereignis dabei zu sein. Der erste Tag führt die Herde von der Schachenalm über den Krimmler Tauern zur Adleralm in Trinkstein. Dort wird gerastet und am nächsten Tag zieht die festlich geschmückte Herde dann durch das Ahrntal zum Obermairhof in St. Jakob. Dann ist die ganze Familie – Jung und Alt – froh, dass alle wieder gut zu Hause sind und der Almabtrieb wird noch in gemütlicher Runde gefeiert. Mein Besuch auf der Schachenalm an einem wunderschönen Almsommertag hat mich sehr berührt. Das Gespräch mit Maria und Franz war gefüllt mit Herzlichkeit und Freundlichkeit. Es ist schon etwas Besonderes, solchen Menschen zu begegnen.
Die Alm soll auch in Zukunft eine Ruhezone bleiben
Als ich an diesem Morgen taleinwärts wanderte war ich über weite Strecken alleine unterwegs. Aber es dauerte nicht lange, da merkte ich, dass das Krimmler Achental ein sehr beliebtes Wander- und Ausflugsziel ist. Zahlreiche Wanderer und Radfahrer säumten den schönen, ausgebauten Almweg. Ob es da nicht Reibungspunkte gäbe habe ich nachgefragt. Hier appelliert Franz an die Vernunft der Wanderer und Radfahrer und fordert ein wenig mehr Respekt gegenüber dem Eigentum der Almbesitzer. Die Alm ist eine Ruhezone und soll es auch in Zukunft bleiben. Ich verabschiede mich von Maria und Franz und wandere wieder talauswärts. Begleitet von einem wunderschönen Panorama und vielen Eindrücken. Wieder einmal ist mir klargeworden: Das romantische Klischee vom Almleben entspricht nur selten der Wirklichkeit. Die Arbeit auf der Alm ist mühsam, die Arbeit oftmals hart und fordernd. Trotz allem sind Franz und Maria glücklich und dankbar für ihr Leben auf der Alm.