In Pfunds bringt Hirte Alois Marth seine Schafe vom Herdenschutz-Projekt ins Trockene | Tirol

…„Seine Schäfchen ins Trockene bringen“ – dieses Sprichwort ist unserem Almfuchs bei der Schafschied in Pfunds im Tiroler Bezirk Landeck eingefallen. Denn das Wetter meinte es mit Hirten und Hirtinnen, Schafen, Besitzerinnen und Besitzer beim Almabtrieb 2023 nicht gut. Wir haben ein Video von der „Schafschoad“.

Bei der traditionellen „Schafschoad“ der Oberländer Gemeinde Pfunds sind ca. 450 Schafe vom Lader Heuberg, einer der Herdenschutz-Projektalmen des Landes Tirol, wieder ihren Besitzern und Besitzerinnen übergeben worden. Bei strömendem Regen haben Hirte Alois Marth und seine Helfer „seine Schäfchen ins Trockene gebracht.“ Diese wurden gewogen und auf Klauengesundheit untersucht, um die Auswirkungen der gelenkten Weideführung an Hand dieser wichtigen Parameter zu erheben. Anschließend wurden sie von ihrer Sommerwolle befreit. Mit dabei und neugierig wie immer, unser Almfuchs.

Letzten Sommer bei strahlendem Sonnenschein habe ich am Lader Heuberg Alois Marth und seine Schafherde zum ersten Mal auf den steil abfallenden Graten hoch über Serfaus besucht und interviewt. Dort geht er seiner Hirtenberufung den ganzen Sommer über und bei jeder Witterung nach. So auch dieses Jahr. Jetzt, am Ende seines zweiten Almsommers auf einer der Herdenschutzprojekt-Almen des Landes Tirol, bringt er seine wolligen Schutzbefohlenen herunter ins Tal und zieht vor laufender Handy-Kamera und bei strömendem Regen ein wenig Bilanz.

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Hirte Alois Marth macht sich Gedanken über die Zukunft
Ich kenne Alois schon von meinem ersten Besuch als einen Alm-Besessenen, der sich viele Gedanken über die Zukunft seines Berufes, seiner Berufung – möchte ich sagen – und die Almbewirtschaftung insgesamt macht. Gedanken, keine Illusionen. Schon gar nicht in Sachen Großraubtiere. „Wir sind nie mehr allein“, sagt er mir denn im Videointerview auch. Damit  meint er den Wolf, dessen Präsenz er heuer öfter gespürt und den er mindestens einmal mit eigenen Augen gesehen hat. Gerissen hat ihm der Wolf diesen Sommer keines seiner Schafe. Das wäre mit Sicherheit anders gewesen ohne seine Wachsamkeit und ohne die 10.000-Volt-Spannung, die in den fünf Litzen des mobilen Zaunes herrschen, in den Alois allabendlich seine Schafe einpfercht.

Das sieht auch Franz-Josef Greiter so. Er ist einer der Bauern und Bäuerinnen, die Alois ihre Schafe den Sommer über anvertrauen. Er ist froh, dass Projekte wie dieses eine Zukunftsperspektive für ihn, Kollegen und Kolleginnen eröffnen, die die kleinstrukturierte Bergland- und Almwirtschaft mit großem Engagement aufrechterhalten wollen. Die Finanzierbarkeit ist eine andere Frage. Die ins Trockene gebrachten Schäfchen stehen ja sprichwörtlich für ein Geschäft, einen Gewinn, der abgesichert werden konnte. Abgesichert gegen einen drohenden Verlust. Und da reichen sich die echten Schäfchen und die sprichwörtlichen die Hand. Über kurz oder lang droht aber der Verlust.

Viele der Schafbauern und -bäuerinnen sowie leidenschaftlichen Züchter und Züchterinnen führen ihre Betriebe im Nebenerwerb. Denn aus rein ökonomischen Maßstäben würde sich die kleinstrukturierte Schafhaltung in der ohnehin finanziell oft prekären Berg- und Almwirtschaft meist nicht rechnen. Das bestätigt Schafbesitzer und Agrarsoziologe Franz-Josef Greiter und das ist keine Einzelmeinung.

Ökonomische Auswirkungen der zunehmenden Wolfspräsenz
Zu den ökonomischen Auswirkungen der zunehmenden Wolfspräsenz auf unseren Almen habe ich ein Interview mit Prof. Matthias Gauly, Tiermediziner und Agrarwissenschaftler, Vorsitzender der tierwissenschaftlichen Arbeitsgruppe an der Fakultät für Agrar-, Lebensmittel und Umweltwissenschaften an der Freien Universität Bozen, geführt. Bei extensiven Bewirtschaftungsformen, wie z.B. Schaf-Ziegenalmen, ist „die Gewinnspanne extrem gering ist“, erklärt Gauly. „Alle zusätzlichen Aufwendungen führen da sehr schnell an die Grenze. Ökonomisch gesehen, aber auch emotional. Ich glaube jeder, der ein Tier hat, ob das nun ein Heimtier oder ein Nutztier ist, kann leicht nachempfinden, was es bedeutet, wenn man Tiere leiden sieht und vor allem das Gefühl hat, ich kann das Tier nicht schützen.“ Viele Schafbauern und -bäuerinnen würden „keine Zukunftsperspektiven“ sehen

Land Tirol trägt Kosten des Herdenschutzprojektes
Herdenschutzprojekte wie jenes vom Lader Heuberg kosten eine Stange Geld. Hirten und Hirtinnen wollen und sollen bezahlt werden für ihre harte und verantwortungsvolle Arbeit, ganz abgesehen davon, ob man sie überhaupt in annähern ausreichender Zahl findet (was gegenwärtig bei weitem nicht der Fall ist). Geld, das über die Vermarktung der Schafe bzw. ihrer Lämmer hereinkommt, reicht dafür bei weitem nicht aus. Nach den strengen ökonomischen Gesetzen des Weltmarktes müsste sich jede Schafhaltung bei uns auf den Almen sofort aufhören. Auch ohne die Mehrkosten für Herdenschutz durch ständige Behirtung, wie sie jetzt gegen den zunehmenden Raubtierdruck aufgeboten werden müssen. Ein Land wie Neuseeland, der weltweit führende Exporteur von Lammfleisch, produziert dieses zu einem Bruchteil der hierzulande anfallenden Kosten – es gibt übrigens keine Wölfe auf der Insel.

Zurück nach Tirol: Bei den laufenden Herdenschutzprojekten übernimmt das Land im vollen Umfang die Mehrkosten. Projekte haben naturgemäß ein Ablaufdatum. Sehe ich allzu schwarz, wenn ich die Frage nach dem Ablaufdatum unserer Schafalmen stelle? Diese Frage führt sogleich zur Frage, was uns – als Gesellschaft – unsere Almen mit nachhaltigen Weideflächen, gestärkten Weidetieren und weitläufigen Erholungsplätzen wert sind. Jede und jeder Einzelne ist aufgerufen, sie sich zu stellen.

Wie bei den Schafschieden im Land deutlich geworden ist, arbeiten viele Schafbauern und Schafbäuerinnen leidenschaftlich daran „ihre Schäfchen“ weiter sommers auf die Berge und sie im Herbst wohlbehalten ins Tal zu treiben.

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