14 Freiwillige, teils von weither angereist (Vorarlberg, Bayern, Weinviertel,…) schuften eine ganze Woche für Kost und Logis mit vollem Einsatz auf der Feichtaualm auf rund 1.375 Metern Seehöhe im Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich. Unter Anleitung des Projektleiters und Almbauers Siegfried Ellmauer vom österreichischen Alpenverein werden im Zuge des Bergwaldprojektes die rund 640 Hektar großen Weideflächen wieder erschlossen. Sie sind durch kreuz und quer herumliegende Fichten für das grasende Vieh unzugänglich geworden. Diese Fichten sind einerseits Windwurf-Opfer und in weiterer Folge solche des Borkenkäfers, der den durch Hitzestress und Trockenheit geschwächten Bäumen oftmals den Rest gegeben hat und gibt, erklärt mir Siegi. Dann zeigt er mir die Spezialwerkzeuge mit denen die Freiwilligen in mühsamer Handarbeit Tröge aus gefällten, gesunden Fichtenstämmen hauen. Damit die Tiere im wasserarmen Karst ausreichend zu saufen haben. Abgestorbene Baumreste werden zerkleinert und mit vielerlei Ästen entfernt. So sind die Weideflächen wieder frei für das Almvieh. Aktuell weiden auf der Feichtaualm rund 80 Rinder, die Viehzahl soll noch heuer erhöht werden. Denn das Vieh hilft auch den anderen Tieren und den Pflanzen auf der Alm. Die Biodiversität wird durch ihr Grasen gefördert.
Siegi, der selbst Almbauer und Züchter seltener Nutztierrassen im nahen Spital am Pyhrn ist, hat mich am Abend zuvor beim Parkplatz des Nationalparks Kalkalpen abgeholt und wir sind zuerst mit dem Auto und dann zu Fuß weiter auf die Alm. Dort habe ich mich noch zu später Stunde mit dem Almhalter-Ehepaar, Rosa und Gerhard Rettenbacher vulgo Polz, unterhalten können. Beide weit jenseits der 70 und beide mit einem sehr sympathischen Schalk im Nacken, der ihnen aus den Augen und mir ins Herz springt, während ich das wunderbare Gulasch von Rosa genieße.
Feichtaualm mit viel Liebe und Mühe erhalten
Die Feichtaualm, so hat es mir schon Siegi während der Auffahrt erzählt, gäbe es nicht mehr, hätten sich die beiden nicht zeitlebens für ihren Erhalt eingesetzt und schier Unglaubliches an Almarbeit geleistet. Dieser Einsatz ist vor allem Gerhard anzusehen und hat seinen gesundheitlichen Tribut gefordert. Jedenfalls ziehe ich ganz tief meinen Hut vor den beiden und denke mir gleichzeitig: Wie schön, wenn man sein Lebenswerk jeden Tag in der Früh neu von der Morgensonne beschienen vor sich ausgebreitet daliegen sieht. Ein kleines Portrait der beiden und ihres Lebenswerkes, der Feichtaualm mit schönen Bildern davon, findet ihr hier auf unserem Portal.
Damit nun das angesprochene Lebenswerk nicht im wahrsten Sinne des Wortes zuwächst, wieder vom Wald verschluckt wird, dem es einst abgewonnen wurde, sind die 14 „Nothelfer“ des Alpenvereins und Mitarbeiter des Nationalparks angerückt. Die meisten davon treffe ich noch am Lagerfeuer an, wo sie den Tageseindrücken nachsinnen und das eine oder andere Lied anstimmen, bevor es ins Lager und zur Nachtruhe geht.
Der nächste Tag sieht alle beim kräftigenden Frühstück mit Bauernbutter und selbstgemachter Marmelade auf ebensolchem Brot. Danach werden alle vom Projektleiter mit einem Diplom und einer launigen persönlichen Laudatio geehrt, in zwei Gruppen eingeteilt und ab geht’s an die Arbeit, die ich mit meiner Handykamera ein wenig dokumentiere.
Der Alm etwas zurückgeben
Lukas Briendl, einen diplomierten Geografen aus Oberösterreich, und die aus Landeck angereiste Lydia Heinisch kann ich zu Interviews überreden. Schaut und hört euch an, was die beiden zu sagen haben über ihre Motivation, eine ganze Woche der Feichtaualm zu „opfern“. Lydia freut sich, wenn am Ende des Tages ein sichtbares und sinnvolles Tagwerk vor ihr liegt und will ganz allgemein der Alm etwas zurückgeben. Als Wanderbegeisterte mit offenen Augen weiß sie, wem sie so viele schöne Augenblicke zu verdanken hat.
Lukas wiederum weiß, was Almen heute angesichts des Klimawandels so unersetzlich und wertvoll macht. Die fleißigen Almleute dabei zu unterstützen, mit der Alm einen der artenreichsten Lebensräume zu erhalten, ist ihm Ansporn genug. Das sagt er sitzend auf einem der schönen Fichtentröge, die er und seine Kollegen der Alm „geschenkt“ haben, während ihn Schmetterlinge umschwirren.
Von Siegi Ellmauer erfährt ihr, inwiefern es gerade dem Alpenverein gut zu Gesicht steht, sich für den Erhalt unserer Almen ins Zeug zu legen. Nennt dieser doch schon in seiner Gründungsurkunde von 1862 die Berglandwirtschaft und die Almbauern die wichtigsten Stützen einer intakten Berglandschaft. Die Erschließung der Alpen mit ihren Berggipfeln hat ja historisch gesehen von den Almen ihren buchstäblichen Ausgang genommen. Gemalte Bilder von Alm-Idyllen weckten in den von den Fabriksschlöten der industriellen Revolution so hässlich geschwärzten Städte die Sehnsucht nach dieser Gegenwelt. Diese Sehnsucht hält bis heute an.
Fotos: Siegfried Ellmauer
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